Reisebericht
Skitourenreise Swanetien – Wilder Kaukasus
Es ist ein kalter Herbsttag. Ich steh mit meinem Freund Andi an
einer Feuerschale bei einem gemütlichen Innenhoffest, und wir träumen
vom bevorstehenden Winter.
Ski schon hergerichtet? Schon Pläne, wo es den Winter hingeht? Willst du
was Großes unternehmen? Ja, wäre mal wieder lässig… Hab da von einem
Gebiet gehört im westlichen Kaukasus. Soll gut sein. Wilde Gegend, noch
relativ einsam und tolle Skitouren am Fuße von mächtigen Bergen. Dort
soll es Bären geben. Ich schwärme Andi von dem Gebiet vor und dass
Mountain Elements gerne hinfahren würden. Er wäre sofort am Start und
könnte ein paar tolle Bilder schießen. Der Plan steht.
Drei Monate später stehen wir am Flughafen Memmingen und warten auf unsere Reisebegleiter. Nach einigen Mails und viel Druck von Andi haben wir es doch noch geschafft, die Reise zu organisieren, und es sind sogar noch einige Begleiter aufgesprungen.
Dank der Airline WIZZ gibt es seit 2017 Direktflüge nach Kutaissi, der drittgrößten Stadt Georgiens. Die Stadt liegt südlich vom großen Kaukasus und von dort können wir unsere Reise nach Swanetien beginnen. Nach vier Stunden Flugzeit erreichen wir um Mitternacht Georgien. Hier erwartet uns schon ein Shuttle, welches uns zu unserer Unterkunft bringt, und nach einer kurzen Autofahrt hocken wir schon mit zwei Litern Hauswein auf unserer Dachterrasse und genießen die Leuchtkraft der Neonreklamen von Kutaissi.
Wir sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die sich noch nicht alle kennen. Doch man merkt schnell, dass wir gut harmonieren, wir alle gerne gesellig zusammen sitzen und uns die Liebe zu den Bergen vereint. Wir waren zuvor schon ein paar mal im Westen des Kaukasus, im Skigebiet Gudauri und am Kasbek, dem dritthöchsten Berg Georgiens, unterwegs. Dort hab ich von unserem Freund Achi, einem georgischen Bergführer, den Tipp für das Gebiet um Swanetien bekommen. Leider kann Achi uns nicht begleiten, da er sich das Kreuzband gerissen hat, doch er hat uns seinen Freund Leri geschickt, der uns bei der Tour unter die Arme greifen wird.
Und die Aussichten… Ja o.k. – das ist dann nicht mehr vergleichbar
Es gibt nicht besonders viele Informationen über die Skitouren in der Region Swanetien, das Kartenmaterial ist auch eher spärlich und bei weitem nicht so detailliert wie unsere Alpenvereinskarten. Da kann es schon mal passieren, dass wir plötzlich vor einer Felswand stehen, die in der Karte nicht eingezeichnet war. Daher ist eher ballistische Planung angesagt, und wir werden uns von Berg zu Berg vortasten.
In den nächsten drei Tagen unternehmen wir tolle Skitouren in den Bergen nördlich von Mestia. Wir haben zwei 4×4-Fahrzeuge, die uns in 30 – 60 Minuten Autofahrt zu den Ausgangspunkten unserer Skitouren bringen. Die Straßen abseits der Main Road sind bei weitem nicht mehr so komfortabel, und es rüttelt uns ganz schön durch. Der Beifahrerplatz ist daher ein begehrter Sitz.
Wir sind Anfang April unterwegs, und es ist ein schneearmer Winter in der Gegend. Daher müssen wir unsere Skier meist eine halbe Stunde tragen, bevor wir sie anschnallen dürfen und in unserem gewohnten Trott den Berg besteigen. Hier ist dann wieder alles ähnlich wie in den Alpen. Der Schnee ist weiß, mal fest, mal weich, die Flanken mal steil, mal flach, doch irgendwie ist es doch was anderes, hier im großen Kaukasus zu sein. Und die Aussichten… Ja o.k. – das ist dann nicht mehr vergleichbar.
Ein Highlight dieser ersten Tage ist sicher der Übergang vom Becho Tal auf den Chaladi Gletscher. Denn diese Tour bietet alles, was eine Skitour braucht. Ein toller Anstieg über konstante Hänge bringt uns zu einem Vorgipfel. In den Alpen wäre das schon eine Mega-Skitour. Die Aussicht ist gigantisch, und wir sind uns einig, dass wir der Region auch im Sommer mal einen Besuch abstatten sollten. Doch die Tour geht weiter über einen leichten Klettergrat hinauf zu einem Pass. Von hier startet endlich die Abfahrt. Über tolle, teils pulvrige Flanken fahren wir an mächtigen Gletscherbrüchen und den hohen Wänden des Uschbas* vorbei. Als Abschluss bekommen wir noch eine enge Waldabfahrt, wo es noch mal sich konzentrieren heißt und die letzten Kräfte mobilisiert werden müssen. Als wir nach all den Strapazen endlich unser Shuttle mit Empfangskomitee sehen, sind wir alle super happy und lassen uns das kaltgestellte Bier und das noch warme Chatschspuri** schmecken.
* Markanter Doppelgipfel im Hauptkamm des Großen Kaukasus in Georgien. Der Südgipfel ist 4737 m hoch.
** Chatschapuri ist eine Spezialität der georgischen Küche. Es handelt sich um ein überbackenes Käsebrot, das in Georgien meist als Zwischenmahlzeit für den kleinen Hunger oder als Beilage zum Hauptgang gegessen wird.
Ein weiterer Höhepunkt ist sicher auch der Besuch des lokalen Skigebietes Tetnuldi.
Nach einer halbstündigen Autofahrt erreichen wir den Parkplatz auf 2265 m
des 2016 eröffneten Skigebietes. Es ist fast leer, was aber nicht
weiter verwundert, da man die Straße nur mit einem 4-Wheeler befahren
kann und wir eh noch nicht besonders viele Skifahrer in der Region
gesehen haben. Es gibt eine Bar, eine Kasse und einen Lift, welcher uns
nach oben bringt. Mit zweimal umsteigen erreichen wir eine Höhe von 3040
m. Von hier heißt es auffellen, da der letzte Lift im Moment nicht in
Betrieb ist. 20 Minuten später stehen wir auf dem höchsten Punkt des
Skigebietes und schauen in eine wunderschöne nordseitige Flanke, wo wir
uns die nächsten Stunden spielen werden. Es wechseln sich Rinnen mit
offenen Hängen ab, und wir fallen schnell in einen Rausch. O.k., wir
starten rechten Rand der Flanke und hören links auf. Jeder run bietet
eine Steigerung – Was für ein Tag und Resümée: Super-entspannter Skitag
in einem kleinen Skigebiet, welches viele Abfahrten mit
unterschiedlichsten Expositionen bietet, und für umgerechnet 12
€ bekommt man auf jeden Fall jede Menge Spaß für sein Geld.
So sollten Skigebiete sein ;-).
Den zweiten Teil der zwölftägigen Swanetien-Reise verbringen wir etwas östlich von Mestia in dem kleinen Dort Ushguli. Eine halbtägige Autofahrt durch steile Täler, vorbei an Wasserfällen und alten Dörfern, bringt uns in das Dorf auf ca. 2100 m.
Skeptische Blicke bekommen wir von den Dorfbewohnern und ihrem Vieh zugeworfen: Was machen die hier?
Bei unserer Ankunft haben wir auch sofort verstanden, wieso Leri noch mal in Mestia bei seinem Haus stehen bleiben musste und mit Gummistiefeln unterm Arm aus dem Haus kam. Der Parkplatz unseres Guest Houses war eher ein Schlammplatz am Fuße eines riesigen Misthaufens, und leider war es Abend, so dass der Boden nicht mehr gefroren war. Kurz gesagt, wir mussten uns alle überwinden, den ersten Schritt aus dem Auto zu machen und in den Matsch/Dreck zu steigen.
Untergebracht waren wir dann in einem Privathaus, das wunderschön in der Mitte des Hauptdorfes liegt. Bewirtet wurden wir von einer Familie, die sich sehr nett um uns kümmerte. Es gab einen Wohnraum, wo gekocht, gegessen und entspannt wurde. Der Flimmerkasten lief eigentlich immer, und daneben stand der Holzofen, auf dem von der Chefin gekocht wurde. Es fehlte uns an nichts.
Rund um Ushguli gibt es eine große Auswahl an Skitouren und dank der hohen Lage kann man fast alle Touren direkt von der Haustüre aus starten. Am frühen Morgen sind auch die Dorfwege noch gut gefroren, und man muss nicht knöcheltief durch den Kuhmist stapfen. Skeptische Blicke bekommen wir von den Dorfbewohnern und ihrem Vieh zugeworfen: Was machen die hier?
Man kann auf alle Seiten des Tals aufsteigen und sich die beste Exposition aussuchen. Über allen Touren thront die mächtige Bezengi-Mauer mit dem höchsten Berg Georgiens, dem Schchara mit 5193 m. Eine wunderschöne Kulisse! Nach unseren Touren sitzen wir noch lange im Garten unseres Guest Houses, trinken Bier in der Sonne und genießen die warmherzige Gastfreundschaft. Nach vier Nächten verlassen wir diesen wunderbaren Ort, einerseits froh darüber, Richtung Heimat zu fahren, doch andererseits auch ein wenig traurig, dieses einfache, aber sehr gut funktionierende Leben zurückzulassen.
Zwei Tage später stehen wir wieder am Flughafen in Memmingen, noch etwas verkatert vom unserem georgischen Abend, aber doch ziemlich fasziniert von den Eindrücken der letzten zwölf Tage. Wir sind uns alle einig, dass dieses Gebiet eine Menge Potenzial in sich birgt und uns sicher nicht zum letzten mal gesehen hat. Auch wenn der verpflichtende Tschatscha* beim Abendessen nicht immer ein Wohlgenuss ist…. Gagimardschos! **
*traditioneller georgischer Schnaps. Ursprünglich war Tschatscha ein Schwarzbrand für den Privatgebrauch. Noch heute ist er in dieser Form auf dem Lande weit verbreitet. Schwarzgebrannter Tschatscha hat einen Alkoholgehalt von 45 bis 50% vol., manchmal auch 60% vol.
** Gagimardschos ist die georgische Übersetzung für Prost
Ein Großes Dankeschön geht an den Fotografen Andreas Jacob. Er hat uns sehr motiviert, die Reise anzutreten, und wir können die Region Swanetien mit tollen Bilder präsentieren.
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