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Reisebericht

Odyssee – Klettern im Wilden Kaiser auf den Spuren der „wild eighties“

Odyssee - Klettern im Wilden Kaiser auf den Spuren der ``wild eighties``

Am 28. August 2016 haben Fabi Hagenauer und Marinus Gottwald im Wilden Kaiser ein kleines Stück Rosenheimer „Kaisergeschichte“ weitergeschrieben. Sie kletterten als 2te Seilschaft die berüchtigte Tour „Odyssee“ im zentralen Teil der Fleischbank Ostwand rotpunkt. Jetzt würde man nicht auf die Idee kommen, dass das so besonders ist, wenn man nicht weiß, um was für eine Tour es hier geht:
Odyssee, 9+, E6-, 280m – das Entscheidende an der Bewertung steht in der Mitte. E6- ist die Ernsthaftigkeit der Tour. Soll heißen: welches Risiko man eingeht, wenn man diese Tour klettert.

Theorie

Nachdem Risiko im Klettern letztlich als Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturzes in Zusammenhang mit den Konsequenzen eines Sturzes gesehen werden muss, ist die „Odyssee“ nicht irgendein 9er im Gebirge.
Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturzes kann man nur durch exorbitantes Kletterkönnen minimieren. Die Folgen, die ein potentieller Sturz hat, sind aber ein Faktum, das nicht reduziert werden kann. Die Ernsthaftigkeitsbewertung setzt eben dort an, wo man von sich behaupten kann, die gegebenen Möglichkeiten der Absicherung mit Keilen, Friends und anderen Spielsachen bestmöglich genutzt zu haben. Ach ja, E6- heißt dann eben – und hier zitiere ich gerne wörtlich aus Markus Stadlers Kaiserkletterführer:

„Sehr ernste Route – schlechte Standplätze, sehr schlechtes Material, bzw. schlechte oder keine Sicherungsmittel anzubringen, lange Runouts, unsicherer Fels, große objektive Gefahren, ernstes Ambiente mit fehlenden Rückzugsmöglichkeiten.
Sicherungstechnisches Können der Kletterer: perfekter Umgang mit allen – auch exotischeren – Sicherungsmitteln
Risiko
: gefährliche Route mit sehr hohem Unfallrisiko
Psyche
: sehr hoch
Beispiele: Odyssee (E6-)“

Es gibt also gute Gründe, sich noch ein bissl mehr festzuhalten, zumal es in Sachen Ernsthaftigkeit nur die Grade E1-E6 im Kaiser gibt ;-). Und – richtig – E1 ist easier als E6.

Praxis

Wir haben Fabi und Marinus nach ihrer beachtlichen Leistung kurz getroffen und ein bisschen über ihre Begehung geplauscht:

Interview:

Erstmal Glückwunsch zur Begehung! Hand aufs Herz: Ihr seid ja nicht an der Griesner Alm ausgestiegen ausm Auto und habt gedacht, „ach, heute klettern wir mal Odysse“, oder?

Marinus: Es hat so angefangen, dass wir uns das Ganze schon länger in den Kopf gesetzt haben. Und da ist der Fabi der perfekte Ansprechpartner. Der ist auch guad stark unterwegs und da hab’ ich gewusst, mit dem kann man sowas einsteigen.

Fabi: Wir haben auch schon ein paar schwere Sachen zusammen gemacht und da ist man schon ein gutes Team. Dann kann man das miteinadner angehen, wenn man weiß, was der andere kann. Und zudem hatten wir die eine Woche mit perfektem Wetter und die Chance auf trockene Verhältnisse in der Tour. Denn das ist irgendwie selten dort. Dann war klar: Sonntag mias mas machen – Sonntag oder nie (beide lachen).

Sozusagen ein Sonntagsgeschenk

Fabi: Genau.

Marinus: Von der Mythomania (Anm. hatte Marinus die Woche zuvor geklettert) hab‘ ich schon gewusst, dass die oben noch nass war, aber dass drei trockene Tage reichen, damit das gut trocknet und deswegen war klar: Jetzt ist es Zeit, mit dem Fabi da einzusteigen – denn trocken muss es schon sein.

Ihr seid ja ein eingespieltes Team. War die Stimmung am Einstieg diesmal anders?

Marinus: (grinst)…naja…
Fabi: Man hat sich die Tage davor schon gut drauf vorbereitet. Zwei Tage davor war ich noch Sportklettern, da hab ich dann mal eine Tour weniger gemacht und man hat sich schon anders drauf vorbereitet als auf eine andere Tour. Aber am Tag selbst war’s gewohnt locker.

Marinus: Ja, war schon wichtig, am Tag davor Pause zu machen. Nur See flaggn (=am See liegen) und dann hab ich in der Nacht schon ein bissl drüber nachgedacht und gewusst, dass wir da schon einsteigen werden.

Wart ihr vorm Wecker wach?

Beide: (lachen)…ja.

Wenn man das Topo der Tour anschaut, ist der nominell schwierige Teil im unteren Abschnitt, den ersten 4 Längen, mit einer 8+ Länge und der 9- Länge. Man munkelt aber, dass es bis zum Schluss spannend bleibt. Erzählt doch mal Euren Blickwinkel auf die einzelnen Abschnitte der Tour!

Fabi: Also, wenn man oben (nach dem ersten Abschnitt) in dem Gulli drin ist, kommt ja noch eine 7+. Von der weiß man schon, dass es da wenig zum Absichern gibt. Da war der Fels aber dann relativ gut. Ich hab die Seillänge dann geführt und mir Zeit gelassen, konnte es aber recht sicher klettern. Wobei man echt gut aufpassen musste.

Marinus: Mir hat das als Sichernder sehr getaugt wie der Fabi da raufgeklettert ist. Am Anfang bin ich noch gestanden, irgendwann hab’ ich mich dann aber schon hinhocken müssen -(Fabi lacht)- weil des war so entspannt wie er da rauf ist. Da habe ich gewusst: der Fabi fliegt da nicht.

Fabi: Die ist ja auch richtig lang, die Seillänge, fast 50m, zu einem ziemlich grausigen Stand. Dann ist mir auch noch was Blödes passiert. Da wollt’ ich Stand bauen in so einem Kamin drin, wollte einen Hex über meinem Kopf legen – und zack – hab ich mir den Hex voll auf die Nase gehauen (siehe Bild).

Marinus: Uns es ist halt dann so wie es im „Koasa“ oft ist: Die leichteren Seillängen sind oft die schwierigeren. Und die 8- am Ende, die war dann so glitschig und schleimig, so einen Riss rauf, den man nicht gscheid absichern kann, und der Stand drunter – weißt ja eh – da mogst a ned „einescheban“ (= da sollte man nicht stürzen;-)).

Fabi: Ja, ganz komische Kletterei. So ein richtiger offwidth, wo man so ungut drin hängt, echt nochmal schwer zum Klettern.

Ihr habt ja einen waschechten Seilschafts-Rotpunkt hingelegt? Wie seid ihr taktisch geklettert?

Fabi: Also, die erste Seillänge ist gleich gegangen. Ich bin vor-, der Marinus nachgestiegen. Und bei der 2ten sind wir mit Einfachseil geklettert und haben das Halbseil nur als Abseilleine oben am Stand fixiert. An dem hat der Marinus nach dem ersten Versuch wieder abgeseilt. Dann hab’s ich probiert, bin auch gefallen, gleich nochmal rein und dann hat’s geklappt.

Marinus: Ich hab dann ein bissl Pause gebraucht. Als ich das erste Mal zum Stand rauf bin, war ich echt so übelst fertig. Beim Onsight war’s echt anstrengend, weil ich oft die Hakl noch aus der Kletterposition heraus miteinander verbunden und verlängert hab’… das ist sauanstrengend. So hat der Fabi dann „gleich direkt die Sets einschenken können (= 2x in Folge probieren ;-)) und ich konnte direkt nachkommen. War praktisch.

Fabi: Da war’s eh mal spannend…mit dem Wetter…
Marinus: Ja, vielleicht komm‘ ma da ja später noch drauf zu sprechen..

Was war DER Augenblick für jeden Einzelnen von Euch? Welcher Moment ist bei euch sofort im Kopf?

Was war DER Augenblick für jeden Einzelnen von Euch? Welcher Moment ist bei euch sofort im Kopf?

Fabi: (lacht) Also, wenn ich mich jeden Tag im Spiegel seh’ und die Narbe vom Standplatzbauen…kann ich mich schon eine Zeit erinnern.

Marinus: Bei mir war das eigentlich die allererste Seillänge. Wie der Fabi da den Onsight geschafft hat, da hab‘ ich direkt gewusst: Heute geht was, jetzt können wir Druck machen. Der Onsight war für die Motivation extrem wichtig.

Wie würdet ihr die Tour im Rückblick für euch einschätzen? Die anspruchsvollste Alpintour bisher?

Marinus: Hmm…nach der 8- war ich schon echt richtig g###### im Kopf…

Fabi: Ich hatte schon sehr großen Respekt vor der Tour und war sehr gespannt wie das wird. Aber dann, wie wir in der Tour waren, hab’ ich mich doch relativ sicher gefühlt. Da war ich eigentlich erleichtert, dass es doch nicht so schlimm ist, wie ich mir das vorgestellt hab’.

Marinus: In der Schlüsselseillänge sind auch sicher noch einige Hakl und Klemmkeile dazu gekommen. Wie auch immer das gegangen ist. Die Schlüsselseillänge ist deswegen absolut safe, da kann man jeden Meter fliegen. Im Endeffekt ist es die erste Seillänge. Die ist echt anspruchsvoll und für 8+ darfst ganz schön hinlangen, grad so als warm-up…

Fabi: Ist auch ein bissl ein Überhang, gleich mal pressig, man ist noch kalt und es pumpt von Anfang an…und die letzten beiden Längen sind auch anspruchsvoll.

Für die Wenigen, für die eine Wiederholung in Frage kommt, welchen Insidertipp habt ihr?

Fabi: Wenn du die zweite Seillänge punkten willst, muss man auch unsere Taktik fahren, mit einem Einfachseil zu klettern und eines zum Abseilen am Gurt hängen zu haben. Weil für ein Einfachseil ist die Seillänge zu lang zum Abseilen. Und die letzte Seillänge darf man nicht unterschätzen.


Marinus: Ich finde, man muss auch einen Kletterpartner

mitnehmen, mit dem man Spaß haben und auch zwischendrin Scheiße labern

kann, damit das nicht zu ernst wird. Das muss locker angegangen werden.

Und…wenn du im Klettergarten bei 9- am Limit bist, solltest Du

vielleicht nicht direkt einsteigen (lacht).

Ach ja genau, last but not least, wie war das mit dem Wetter?

Marinus: Ja, das war ziemlich cool. Wir sind da am Ausstieg gesessen, und da ist ein Bohrhakenstand von „Bodenlos“, einer anderen Tour. Dort hab‘ ich dann eingehängt, Fabi ist nachgekommen und wir haben erst mal einen Schnaps getrunken. Als wir abgeseilt und genau wieder am Einstieg waren, fängt’s das Tröpfeln an…es ist sich also direkt ausgegangen, perfekt.

Fabi: Und das mit dem Regen passiert uns ja gern mal (schmunzelt).

Fabi, Marinus, Danke für eure spannenden Einblicke und eure authentische Art, über die Tour zu erzählen! Nochmal Hut ab und Glückwunsch zur Rotpunkt-Begehung der Odyssee.

Marinus arbeitet übrigens bei den Spezialisten für Kletter-Hardwear von VerticalExtreme – da könnt Ihr mal rein schaun!

2 Odyssee

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