2 Wilder Kaiser Mysterium Teil1 2

Reisebericht

Mysteriöser Gully

Weihnachten – wie inzwischen fast immer kaum Schnee. Weiße Beschneiungsbänder ziehen sich durch die „blühenden Wiesen“ Tirols, und krampfhaft wird täglich mehrmals der Wetterbericht aktualisiert, wann denn endlich Schnee kommt. Nope! – kommt erst mal nicht.

Dann also anders: Winterbergsteigen erlebt jüngst in den Monaten November und Dezember eine Renaissance. Wenn schon kein Schnee, dann wenigstens Winterfeeling in schattigen Schluchten und lichtarmen Nordwänden. Okay, machen wir da halt auch mit – hilft ja nix. Bei einem Ausflug in den Wilden Kaiser (Koasa) sichte ich vom Sonneck aus eine Rinne, in der Nordwand des gegenüber massig aufragenden Treffauers, die spinnenbeinartig in einem tief eingschnittenen Kamin verschwindet. Der Grund des Gullys ist nur zu erahnen – uahhhh, gruslig duster…aber verlockend, weil ja grad im Trend.

Ausfahrt nach oben in Richtung Gullys

Einige Wochen später packen’s Jörg und ich dann. Wir pedalieren in morgendlich frischer Luft auf leicht angereifter Forststraße empor – Radltour im Koasa am 29. Dezember?

Nach einer halben Stunde steigen wir ab und parken. Um eben das Absteigen später etwas dynamischer zu gestalten, haben wir uns für die sommerlich-groteske MTB-Variante entschieden. Danach geht’s hinauf ins Schneekar. Ein Winkel, der mit Fug und Recht als kleiner Eisschrank bezeichnet werden kann. Denn die wuchtige Berggestalt des Treffauers versagt im Winterhalbjahr bis auf wenige abendliche Momente jeglichen Sonnenstrahlen den Zutritt in diese Geländekammer.

Im Kar angekommen sind wir erst mal desorientiert. Unsere Augen suchen eine Rinne, Beschreibung: Schneeband von links nach rechts über Absatz, kerzengerader Risskamin am rechten Ende, tendenziell schattig. Einen Riss erkennen wir, der von einem eigentlich viel zu flachen Band viel zu steil nach oben zieht. Um diesen im Winter zu klettern, konstatieren wir einstimmig, den Allerwertesten „zu weit unten“ und die ihn umgebende Hose schon beim Anblick gestrichen voll zu haben. Also noch weiter rauf im Kar – unsere Linie hat doch nicht so grimmig ausgesehen!?

Tatsächlich sieht man das richtige Band mit eben dem Gully erst weiter oben im Kar. Inzwischen haben die Temperaturen den spätherbstlichen Bereich verlassen und fühlen sich für uns arktisch an. Also schnell alles Sinnvolle anmontiert, inklusive technical devices, und los geht’s mit der Querung. Nicht schwer, aber irgendwie doch recht schneeig. Nachdem unterhalb die Wand immer weiter ins Schneekar abbricht, wissen wir, dass es ungünstig wäre, von einem kleinen Schneebrett abgeräumt zu werden. Ja, tatsächlich: hier hat es so viel Schnee, dass einem der Gedanke ernsthaft in den Sinn kommt! Insgesamt aber unproblematisch.

Eine kleine felsige Unterbrechungsstelle dient der Orientierung, um danach rechtzeitig die Ausfahrt nach oben in Richtung unseres Gullys zu nehmen. Der beginnt mit 20 Metern Schnee und dann einem kleinen Aufschwung… Sieht nicht so schlimm aus, also Vollgas.

Leider wird aus Vollgas sehr bald Schneckentempo. Der Aufschwung ist doch steiler, scheeiger, glatter und schlechter absicherbar als erhofft. Ich tüftle und bastle, grabe und kehre und bewege mich nur langsam höher. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, in dem das Gefühl aufkommt, dass „Abrutschen“ jetzt keine gern erlebte Option mehr darstellt. Einigermaßen erleichtert gibt’s dann Stand an massiver Schuppe unter einer kleinen kaminartigen Verschneidung. Schnauf!

Unser kleines „Mysterium“ ist gelöst!

Wir wissen beide, dass es nun schneller gehen muss, denn wenn jede Seillänge so lang dauert, wird’s finster. Gesagt, getan, nach 10 Metern Verschneidung – in übrigens sehr gutem Kaiserfels – legt sich das Gelände zurück, und eine traumhafte Schneerinne zieht elegant inmitten der steilen Wände empor.

Wir nehmen wieder Fahrt auf und wiederholen nach 80 Metern dann das Spiel mit dem zunächst unspektakulär aussehenden Aufschwung im Kamin, der dann doch gehobene Stemm-, Spreiz- und Rampfkünste erfordert.

Dabei wird es immer dunkler. Denn die Wände, die den Gully seitlich begrenzen, ziehen sich steil empor. Ein blauer Fleck Himmel, der irgendwo am vermeintlichen Ende des Gullys unter einem schiefen Kalkturm den Ausstieg suggeriert, ist wohl unser Ziel.

Aber geht das hier durch? Oder kommt ein fieser 40m-„Rebitsch“-Kamin, der senkrecht und glatt aus den Tiefen des Gullys empor zieht? Je tiefer wir in den Kamingrund klettern, desto mysteriöser wird die Antwort auf die Frage, wie wir hier eigentlich wieder raus kommen. Links oder rechts bietet sich kein Notausgang an. Schade eigentlich…

Also weiter und ganz rein in den Kamin, der sich höhlenartig unter einem 10m über Grund installierten Felsdach verliert. Hmmm…also nicht die 40m-Variante von Herrn Rebitsch, sondern nur die 10m-Variante. Glatt ziehen die Seitenwände nach oben. Im Sommer wahrscheinlich okay, im Winter mit glasiertem Ausstieg dann doch aweng a Challenge.

Jörg, a.k.a. Doktor Meyer, fasst sich ein Herz, stemmt, drückt und spreizt, was die Steigeisen hergeben, bis unter das Dach. Eine hohle Schuppe unter dem Selbigen wird mit Friend und Keil (mit einem L) angefüttert, aber so recht solide mag das Klangmuster nicht tönen. Ein Bolt, der aus der eigens durch den Gully geschleppten Wumme seinen Weg in den Fels findet, entlastet sowohl die Stabilitätsanforderungen an Keil und Friend als auch das Nervenkostüm von Keill und Meyer.

Danach legt sich die Rinne zurück und nach 30 Metern gibt’s was vollkommen Neues zu sehen: Die nachmittägliche Sonne strahlt uns in die glücklichen Gesichter. Im Tal liegt Dunst, hinter uns ragen die steilen, sonnigen Kalkmauern des Sonneck auf. Vor uns reihen sich am blitzblauen Winterhimmel die Gipfel der Tauern, Zillertaler, Stubaier und des Karwendels auf, und die angeraumten Felsen der Teffauerwestflanke glitzern um die Wette. Wir sind glücklich, lachen und staunen, dass der Kaiser noch solche Überraschungen wie diese Rinne für uns bereit hält!

Unser kleines „Mysterium“ ist gelöst!

In Worten: Treffauer Nordwand – „Mysterium“

Ca. 300m, Fels bis V (UIAA) schottisch mixed + ca. 100m Zustiegsquerung (–> Topo gibt’s hier)

10 Wilder Kaiser Mysterium Teil2

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