1 Klettern Suedafrika Teil2

Reisebericht

Bouldern Südafrika – zum anderen Ende der Welt

Wer in den bayerischen Alpen Bouldern will, muss schon etwas länger nach guten Blöcken suchen. Da gibt der meist splittrige und plattige Kalk nicht sehr viel her und gute Boulderlinien sind oft rar gesät.
Dann fährt man ins Zillertal, natürlich nach Fontainebleau in die riesigen Wälder unweit der Metropole Paris, oder ins Tessin mit etwas südlichem, italienischem Flair. Wer in alpiner Umgebung bouldern will kann sich an vielen Alpenpässen und in der Schweiz austoben.
All diesen Gebieten ist die gut ausgebaute Infrastruktur, Sicherheit und Erreichbarkeit gemeinsam. Man findet jeden Boulder, alle Gebiete sind schnell erreichbar und im Notfall ist eine gute medizinische Versorgung gesichert. Es fehlt an nichts, europäischer Standard auf allen Ebenen.
OK, dachten wir uns, aber wir wollen etwas mehr Abenteuer, das Unbekannte ruft. Also machte sich eine große Gruppe Rosenheimer Kletterer im August 2011 für zwei Monate zu den Rocklands auf.

200 Km nördlich von Kapstadt

Die Rocklands befinden sich ca. 200 Km nördlich von Kapstadt in der Cedar Mountains. Gespannt auf die vielen Blöcke, die man alle aus namhaften Kletterfilmen kennt, fahren wir mitten in der Nacht vom Flughafen in Richtung Clanwilliam, dem Stützpunkt für Boulderer im Northern Cape. Und hier wartet gleich das erste Abenteuer auf mich. Ich muss das voll beladene Auto mit mehreren Crashpads auf dem Dach nach einem 12 stündigen Flug durch Kapstadt bugsieren, auf der anderen Straßenseite und mit dem Lenkrad auf dem Beifahrersitz.. Vorbei an den Elendsvierteln -genannt Townships- der Stadt; hier sollte man sich besser nicht verfahren, also schnell weg von dieser Gegend.

Nach wenigen Stunden kommt die ganze Mannschaft mitten in der Nacht auf dem Campingplatz an, von den versprochenen Blöcken bekommen wir leider noch nicht viel zu sehen.
Am nächsten Morgen kriechen wir noch sehr verschlafen und wie gerädert aus den Zelten hervor und nach einem kurzen Frühstück geht’s los mit Klettern.
Die nächsten Tage verbringen wir mit Erkundungen und natürlich viel Bouldern in den Blockfeldern. Der Name Rocklands kommt schon nicht von ungefähr, bis an den Horizont erstreckt sich ein regelrechtes Blockmeer. Hier dürfte also das größte potenzielle Bouldergebiet der Welt liegen, es fehlt nur an der Infrastruktur. Wege oder gar Straßen sind selten, zu den meisten Sektoren erlangt man entweder zu Fuß vom Campingplatz oder vom nahe gelegenen Pass.

Manche unserer Gruppe waren zwei Monate hier- da verbringt man die Zeit natürlich nicht nur mit Bouldern, früher oder später verlangt auch der stärkste Körper nach einer Erholung. Also standen auch diverse Road Trips nach Kapstadt und den Touristen-Spots entlang der Garden Route auf dem Programm. Whale Watching, ein Besuch des ältesten Weinguts Südafrikas in der Nähe der Universitätsstadt Stellenbosch und natürlich der Tafelberg in Kapstadt selbst sind Highlights die man erlebt haben muss. Um körperlich nicht ganz einzurosten versuchten wir uns auch beim Surfen. Ungeachtet der Gefahren, die im Wasser lauern, stürzten wir uns in den eiskalten Atlantik. Selbst ein eisiges Nordwandgschau hilft einem da wenig weiter. Für uns hieß das nichts anderes als wieder ran an die Blöcke, denn nach jedem Ruhetag stimmen Kraft und Motivation wieder.

Einzigartige Kombination aus Wildnis und Zivilisation

Eine Liste mit tollen Bouldern zu erstellen, wäre müßig. Ich persönlich bin in zwei Monaten nur einen schlechten Boulder geklettert, bei dem die Felsqualität eher von der sandigen Sorte war. Es gibt natürlich für jeden Grad so etwas wie „Must- do´s“, bei einigen Bouldern lohnt es sich jedoch nur zuzuschauen. Bei den Testpieces ab fb8a aufwärts überlässt man das Feld lieber den ganz starken Jungs und mittlerweile nicht mehr überraschend- auch den starken Mädls. Es lohnt sich also oft auch am Ruhetag mitzugehen, es werden immer Mattenträger, Spotter, Fotografen und laute Stimmen zum Anfeuern benötigt.

Denn das macht den Reiz des Boulderns aus. In einer Gruppe Spaß haben, die individuellen Grenzen immer weiter nach oben zu schieben und richtig abgefahrene Züge und Linien klettern. Die ersten Versuche enden planlos im Chaos, mit der Zeit lichtet sich der Dschungel aus Tritt- und Griffkombinationen und komplexe Lösungen werden ausgearbeitet. Hier ist Bouldern Teamsport! Wird ein zunächst unkletterbarer Boulder dann doch noch gelöst freut sich die ganze Gruppe und man lässt den Tag mit Bier und Grillen am Lagerfeuer ausklingen- und das geht in Südafrika besonders gut.

Vielleicht fragt sich der eine oder andere, warum man ausgerechnet tausende von Kilometern durch die Welt bis nach Südafrika fliegen muss?
Es ist wohl die einzigartige Kombination aus Wildnis und Zivilisation, Abenteuer und Sicherheit und eine unglaublich große Ansammlung von eindrucksvollen Boulderlinien. Wenn der orange-graue Fels am späten Nachmittag von der afrikanischen Sonne in ein tiefes Orange getaucht wird entsteht eine besondere Stimmung. Oben auf den Blöcken sitzen schreiend die Baboons und warten bis es dunkel wird. In diesem Moment genießt man noch kurz die afrikanische Weite und Unberührtheit, bevor es erschöpft und glücklich zurück zum Camp geht.

Text und Bilder: Sandro Kley

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