12 USA Klettertrip Teil1

Reisebericht

Big Wall - Yosemite USA-Trip

Wir sitzen in Herbriggen/Wallis beim Kaffee. Die staatliche Bergführer-Sommerprüfung und dabei der durchaus mit Respekt erwartete Hochtouren-Teil neigt sich gerade dem Ende. Ich bin müde. Müde von einer langen Führungssaison, mit eben dem Ziel diese Prüfung am Ende zu meistern.

Crack-Climbing

„Unglaublich wie wenig ich meine eigenen Ziele in den Bergen die letzten zwei Jahre verwirklichen konnte“ meint Basti, der neben mir sitzt. „Irgendwie war alles im Zeichen des Bergführens gestanden.“ Ich pflichte ihm bei, komme aber nicht mehr dazu über diese intensive Zeit meine Gedanken zu formulieren.
„Hast Bock, ich flieg mit zwei Kollegen (Innsbruckerisch für Freunde) im Oktober nach USA. Riss, oida!“ Bastis Augen funkeln.

Ein wenig überfahren vom rasanten Themenwechsel meines Nachbarn verschaffe ich mir eine kurze Reaktionszeitreserve und rühre vielsagend im Schaum meines längst ausgetrunkenen Capuccinos. Doch eigentlich, „well…I’m free“, würde Uncle Sam jenseits des großen Teichs sagen und genau das mach` ich. Einige Tage später buche ich, sozusagen zwischen Duschen und Abendessen meinen Flug. Manchmal muss man es eben spontan und ohne großes hin und her einfach passieren lassen…

15. Oktober

Nach langem Flug und kurzer Irrfahrt stolpern wir vier, Johannes Pfeifhofer aka „das Küken“, Daniel Rogger, Basti Wolfgruber und meine Wenigkeit in irgendein Motel am Stadtrand von San Francisco. Jeder ist müde und hat noch die stressigen Tage vor der Abreise in den Knochen. Bei mir wars das Mountain Elements Projekt, das mich meine Friends, Klemmkeile und Karabiner erst in der Nacht vorm Abflug sortieren lies, Roggo hatte noch seine letzte Schicht auf der Bülelejochhütte unter den drei Zinnen zu arbeiten und irgendwie brauchen alle erst mal eines: Schlaf.

Am Morgen dröhnen wir uns zunächst im Coffeeshop unseres Vertrauens nen Mokka. Einer der hier zahlreich vorhandenen Mexicanos entlarvt uns treffsicher als Ausländer. „Germany! How is Hitler?“ –„He’s fine. Thanks.“ Ach ja, sind ja in Amerika… Wir stürzen das Muselmanengebräu herunter und begeben uns da hin, wo man schon vor 40 Jahren mehr „love“ als „war“ gemacht hat: Camp IV, Yosemite Valley, California.

16. Oktober

Nachdem wir erst nachts im Camp ankommen sind und mit einigen Freunden am Lagerfeuer noch ein Döschen Budweiser verheizt haben, bekommen wir erst am nächsten Morgen einen Überblick: Legendäres Camp IV, Yosemite Falls, ums Eck irgendwo muss der El Capitan sein und hinten im Tal die fotogene Glatze des Half Dome’s, zum Klettern paradoxerweise bestimmt keine halbe Sache.

Das Valley ist in herbstliche Farben getaucht. Lange Schatten fallen morgens und abends in den Talgrund und in der high sierra liegt der erste Schnee. Schaut so aus als hätten wir es zeitlich optimal erwischt. Im Hochsommer ist es hier so heiß, dass die meisten Kletterer in die deutlich höher gelegene Region der Toloumne Maedows flüchten.

Das Camp selbst hat nach wie vor seinen Charme. Entspannte Atmosphäre und eben nur Leute die den ganzen Tag an ein und dasselbe denken…Klettern. Abends dann Lagerfeuer, Geschichten erzählen und wenns gut geht, schaut auch noch der zottlige Kollege Schwarzbär vorbei, um zu überprüfen, ob wirklich das ganze Essen in die eigens hierfür installierten „baer locker“ (große Metallkisten) eingesperrt ist. Und wenn nicht der Bär zum kontrollieren kommt, heißts auch mal mitten in der Nacht: „Hello, park-ranger.“ Selbiger fordert einen dann unzweideutig auf, den warmen Schlafsack zu verlassen und die eigenen Habseligkeiten, Essensreste usw. wegzusperren.

Vielleicht verkleiden sich die park-ranger ja auch ab und zu als Bären und führen so eine Art Doppelleben. Aber das geht an dieser Stelle zu weit…

22. Oktober

Klettern zuerst die unteren 14 Seillängen der Salathѐ mit dem Namen „Freeblast“, seilen dann über die Heart Ledges nochmals zum Einstieg und checken, ob die Bahn frei ist oder sich irgendwelche Seilschaften vor uns befinden. Keiner da, kein Stau, ein unglaublicher Vorteil in einer so langen Route. Füttern also den haulbag (=überdimensionaler sehr robuster Rucksack, zum Hinterherziehen „haulen“ geeignet) mit einigen Gallonen Wasser, Essen, Schlafsäcken, Rauchwerk sowie Budweiser und legen uns ab.

23. Oktober

Für unseren Geschmack zu früh, vier Uhr, schickt uns der Wecker in die kühle Finsternis des herbstlichen Yosemite Valley. Bald keuchen wir jümarend (= mit Steigklemme entlang fixer Seile) und haulend wieder hinauf um zu den Heart Ledges, den breiten Bändern unter der herzförmigen Fels-Einlagerung der El Capitan Südwestwand, zu gelangen. Wir sind wach. Einige Meter geht es in leichter Kletterei nach links hinauf. Aber die erste Charakterlänge, das „Hollow Flake“, lässt nicht lange auf sich warten: eine an die Felswand angelehnte Schuppe die nach oben hin so breit wird, dass keine Sicherung mehr dahinter passt. Basti, der die Länge aus einem früheren Versuch kennt, versenkt irgendwo noch unseren größten Camalot (mobiles Sicherungsmittel), startet durch und meistert diesen 15m runout souverän. Er fühlt sich gut und führt die nächsten Längen.
Irgendwann wechseln wir, aber ich erwische einen rabenschwarzen Vorstiegstag. Unsicher klettere ich bis hinein ins sogenannte „Ear“, einem abdrängenden, steilen und glatten Kamin der nur in seinem tiefen Inneren das Platzieren von Sicherungen zulässt. Nach mehreren halbherzigen Versuchen lass ichs sein. Lange nicht mehr in einer Seillänge aus Angst umgedreht. Basti holt die Kohlen aus dem Feuer und führt bis zum El Cap Spire. Dank ihm bleiben wir im Rennen, dürfen auf einem der wohl lässigsten Biwakplätze den Sonnenuntergang im Valley beobachten und sinken ziemlich platt und psyhisch ein wenig lediert in einen tiefen, traumlosen Schlaf. So ists halt, manchmal läufts und manchmal nicht.

Wir haben unsere Taktik überdacht und rechnen mit noch 2 Biwaks in der Wand. Bis zum sogenannten „Block“ wollen wir kommen, eigentlich nur 5 Seillängen. Diesmal läufts besser und ich führ diese 5 Seillängen ohne große Probleme. Noch am Vormittag wir über den „Block“ hinaus Richtung headwall. Bis zum Beginn der technischen Kletterei sind wir flott unterwegs. Spektakulär zieht sie Salathѐ 800m über dem Boden über ein gut fünf Meter ausladendes Dach, hinein in den steilen, von Rissspuren durchzogenen Aufschwung. Dann folgen die „long ledges“, eine etwa 80cm breite und 8m lange horizontale Oase in dieser unendlichen Vertikalen. Kaum zu glauben, aber wohl ein noch verrückterer Schlafplatz als der El Cap Spire. Wir sind entspannt, scherzen, trinken Bier und wissen, dass wir am nächsten Morgen nur noch 4 Seillängen gemütlich aus der Wand müssen. Oben angekommen die totale Ruhe. Endlich vereinnahmt uns dieses Gefühl, das so unvergleichbar ist. Platt, stolz und glücklich lungern wir auf den Granitplatten am Ausstieg der Salathѐ herum. Big Wall Yosemite, very nice.

30. Oktober

Im Valley ist es kalt geworden. Wir verabschieden uns. Über die atemberaubende Landschaft der Toloumne Maedows geht’s Richtung Südwesten nach Indian Creek /Utah. Das Sandstein-Risskletter-Mekka. Roter Fels, unbarmherzig logische Linien, egal ob Verschneidung oder „einfacher“ Riss. Die Routenfindung ist zunächst weniger das Problem als das Anwenden der richtigen Klemmtechnik. Hand funzt dann schon irgendwann ganz gut, Faust auch, aber der Rest…

Gerade bei den Fingerrissen oder bei sogenannten „big hands“, also sozusagen bei Überbreite, runzelt der gemeine Europäer da schon eher die Stirn. Egal! Wir nehmens sportlich und Daniel bringts auf den Punkt: „Da sind sicher a scho Ungschicktere rauf geklettert!“ Also klemmen wir, was die Krippe hergibt unter Einsatz aller erdenklichen Körperteile und zerfetzen unsere Hosen und Shirts in den pumpigen Rissen, Verschneidungen und „Flares“ (enge Verschneidung). Unser bester Freund wird das Tape. Sowohl für die Hände als auch für die in Mitleidenschaft gezogenen Klamotten.

Hannes „dem Küken“ gelingen einige schwere Wiederholungen. Unter anderem knippst er den Klassiker „Death of a cowboy“ im zweiten Versuch ab. Aber auch der Rest der Crew holt sich ein paar schwere Wiederholungen und das Gefühl fürs Riss entwickelt sich. Aus der anfänglichen Hassliebe zu den gnadenlosen Rissen hier in Indian Creek wird eine sportliche Herausforderung. Wir haben unsern Rhythmus gefunden und die herbstliche Wüstensonne beschert uns zahlreiche unvergessliche Klettertage.

05. November

Leider nimmt unser Trip ein unschönes Ende. Infolge eines Sicherungsfehlers eines Amerikaners, der Daniel im Toprope gesichert hat, fällt dieser aus drei Metern Höhe ungebremst auf einen spitzen Stein am Boden. Unverknotetes Seilende durchs Sicherungsgerät gerutscht. Sozusagen ein Klassiker der zeitgenössischen Sicherheitsforschung. Das Ende vom Lied: ein gebrochener Wirbel, riesen Action mit dem Rückflug und eine eher durchschnittliche Hilfe von Seiten der österreichischen Versicherung, die für Daniels Rücktransport zuständig gewesen wäre (Konjunktiv).

Was gut ist: Daniel ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Er wird wohl keinen Dauerschaden durch seine Wirbelsäulenverletzung davontragen, auch wenn ihm dadurch noch einige unschöne Wochen bevorstehen.

6 USA Klettertrip Teil2

Fazit

Wir sind zurück am Boden der Tatsachen, durften viele spannende Momente erleben und wissen wieder, dass eben immer was passieren kann, unsere Gesundheit schon ein sehr wertvolles Gut ist und jeder erlebte Tag ein Geschenk. Genauso wie alle Tage vor Daniels Unfall auf unserem USA Trip. Grazie mille!

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